Interview mit Saga-Gründer Jim Crichton
Jim Crichton hat Saga vor 33 Jahren in Toronto gegründet. Heute spielt die Rock-Band im Ulmer Theatro. Der Bassist erklärt, weshalb sich ein Besuch der „Now is now“-Tour auch für Hörer unter 30 Jahren lohnt.
CLAUDIA REICHERTER | 31.03.2010 2 0 0
Hallo Herr Crichton, wie geht es Ihnen?
JIM CRICHTON: Gut, ich bin nur ein bisschen müde.
Kein Wunder, Sie sind ja seit ein paar Tagen wieder auf Tour.
CRICHTON: Ja, gestern war der fünfte Auftritt unserer „Now is now“-Tour. Wir spielen alte Songs mit einem neuen Sänger, der die bislang gar nicht kannte, das ist schon eine Herausforderung.
Die Tour heißt auf Deutsch übersetzt „Jetzt ist jetzt“, in der Ankündigung heißt es aber, Saga spiele dabei das ganze, sehr erfolgreiche „Heads and Tales“-Album aus dem Jahr 1983. Ist das nicht ein Widerspruch? Ist das nicht mehr einst als jetzt?
CRICHTON: Nein, weil jetzt ist ja jetzt.
Sie spielen die alten Stücke also in neuen Variationen?
CRICHTON: Manche spielen wir ziemlich original, aber mit zwei oder drei treiben wir ein bisschen so unsere Späßchen.
Wie hat das Publikum auf der bisherigen Tour auf das Programm reagiert?
CRICHTON: Großartig.
Am Donnerstag sind Sie dann in Ulm, im Theatro. Waren Sie schon mal da?
CRICHTON: In Ulm ja, das Theatro kenne ich aber nicht.
Erinnern Sie sich an Ulm?
CRICHTON: Oh ja! Wurde da nicht Albert Einstein geboren? Seine Geschichte macht ja einen großen Teil der (über mehrere Alben verteilten und erst 2005 auf einer Live-Konzept-Platte veröffentlichten, Anm. d. Red.) Saga „Chapters“ aus.
Sie sind im Februar 57 Jahre alt geworden. Denken Sie da manchmal daran, mit dem Touren aufzuhören?
CRICHTON: Nein. Es ist das beste Training, das ich bekommen kann. Und gerade wenn wir die Stücke von vor 30 Jahren spielen, dann fühle ich mich gleich als wäre ich 30 Jahre jünger... Im Ernst: Ich kann mir nichts besseres vorstellen.
Seit Jahrzehnten produziert Saga mindestens im Zweijahresrhythmus ein Album, danach sind Sie immer längere Zeit auf Tour. Ist das nicht problematisch fürs Familienleben?
CRICHTON: Früher war das eine schöne Zweiteilung: Im Winter waren wir im Studio, im Sommer tourten wir. Herrlich. Ich bin jetzt seit - mal überlegen - 31 Jahren verheiratet, und meiner Frau macht es ebenfalls Riesenspaß. Sie ist oft auf Tour dabei.
Mit „Wind him up“ vom 1981er Album „Worlds apart“ haben Sie eine der einprägsamsten Hymnen der 80er Jahre geschrieben und mit den Eingangs-Akkorden des Stücks eine der einzigartigsten Klangfolgen seit Bach. Wie fühlt sich das an?
CRICHTON: Ich freue mich, dass Sie das sagen. Denn es war uns gerade am Anfang immer sehr wichtig, dass das, was wir machen, anders klingt als die Musik von anderen Bands. Schrieb jemand, wir klängen wie Genesis oder Pink Floyd, haben wir sofort eine Kehrtwende eingeleitet und uns in eine neue Richtung orientiert.
Saga ist neben Puerto Rico gerade in Deutschland über Jahre hinweg enorm beliebt und erfolgreich. Woher kommt das?
CRICHTON: Ich glaube, die Leute hier hören besser hin, genauer. Es gibt hier auch sehr viel unterschiedliche Musik. Bin ich in Californien, wo ich seit vielen Jahren lebe, auf einem Festival, hört sich eine Band an wie die andere. Auf deutschen Festivals hingegen spielt als erstes eine Reggae-Band, dann eine Rock-Band, dann kommt etwas eher Elektronisches und so weiter. Die Vielfalt ist hier größer, das gefällt mir.
Wo wir schon bei Musik-Genres sind: Saga gilt ja als Progressive-Rock-Band. Sind Sie dafür nicht viel zu populär?
CRICHTON: Am Anfang bezeichneten wir unsere Musik scherzhaft als Mittelalter-Funk. Im Internet steht irgendwo, wir wären eine Melodic Prog Band. Ich glaube, das trifft’s ganz gut.
Apropos Mittelalter: Viele deutsche Prog-Musik-Fans sind auch in mittelalterlichen Rollenspiel-Gruppen und bei Online-Rollenspielen aktiv. Was halten Sie davon?
CRICHTON: Mein Sohn spielt im Internet auch Online-Rollenspiele. Daher kenne ich das. Ich selbst bin im Moment dabei, aus „The Chapters“ ein Videospiel zu machen. Ich schreibe gerade das Skript dafür. Das wird ein bisschen wie World of Warcraft. Dazu schreib ich auch noch an einem Musical, aber das würde jetzt zu weit führen.
Seit Co-Gründer und Sänger Michael Sadler 2007 die Band verlassen hat, sind Sie mit neuem Frontmann unterwegs. Wie macht sich Rob Moratti so?
CRICHTON: Wir hatten damals beschlossen, nicht nach einem zweiten Michael zu suchen, sondern nach einem richtig guten Kerl, der sich anstrengen würde und eine gute Stimme hat. Und den haben wir gefunden.
Wie war der Auftritt am Sonntag in Bochum?
CRICHTON: Ach, es waren einfach viel zu viele Noten. Das hat zumindest ein Besucher danach gesagt.
Sie gelten als gute Live-Band mit einem treuen, langjährigen Fan-Stamm. Sind manchmal auch jüngere Leute im Publikum?
CRICHTION: In Bochum etwa waren ein Neun- und ein Zehnjähriger bei uns hinter der Bühne.
Warum sollten sich auch Unter-30-Jährige die Shows einer 33 Jahre alten Band anhören?
CRICHTON: Einfach, um mal was anderes zu sehen und zu hören.
Quelle: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/kultur/Interview-mit-Saga-Gruender-Jim-Crichton;art4308,426292