SAGA Network

Seit fünf Jahren sind die fünf Kanadier von SAGA nun wieder ihrem klassischen Artrock aus den 70ern/80ern treu, nachdem sie in der Zwischenzeit eher in poppige und mainstreamige Gefilde entflohen waren, aus denen das ambitioniert progrockige, gesellschaftskritische Konzeptalbum "Generation 13" 1995 wie ein Monolid herausragte. Aber selbst dieses Werk konnte seinerzeit den klassischen Saga-Fan nicht vollends überzeugen. Der möchte nun mal einfach die rasanten Keyboard/Gitarren-Duelle, die majestätische Stimme von Michael Sadler, die umhersurrenden Synthies und das gradlinige Drumming eines Herren Steve Negus. All das gab's dann mal atmosphärisch filigran auf dem "Back-To-The-Roots"-Album "Full Circle" (1999), eher stadionrockig auf dem Nachfolger "House Of Cards" (2002), auf der poppig belanglosen "Marathon" (2003), auf der Saga nur noch eine Karikatur ihrer selbst waren...und das soll's wohl auch auf der neuesten Offerte mit dem Titel "Network" zu hören geben.

Seit ich aktiv und bewusst Musik höre, gehört SAGA zu meinen absoluten Lieblingsbands. Da fällt es schon mal schwer, solche Fehltritte wie das enttäuschende letzte Studioalbum oder die misslungene DVD "All Areas" zu verkraften. Da kommt auch schon mal die Frage auf, ob SAGA der Musikwelt nicht vielleicht schon alles gesagt hat, was man zum Ausdruck bringen wollte, und ob es ob des fortgeschrittenen Alters der fünf Herren nicht vielleicht besser wäre, den durchaus mit etlichen Höhepunkten gespickten Back-Katalog von 27 Jahren Bandgeschichte für sich sprechen zu lassen und neuen Bands das Zepter zu überlassen.

Aber es macht den Jungs einfach zu viel Spaß, als dass sie aufhören könnten. Und so enthält auch das neue Album wieder ca. 50 Minuten Musik klassischer SAGA-Prägung. Lediglich einer der fünf Herren scheint sich mittlerweile zu alt für den Studio- und Touralltag zu fühlen. Drummer Steve Negus ist 2003 ausgestiegen und wird vom Kanadier Christian Simpson ersetzt, der mit "Network" sein Studioalbum-Debüt bei SAGA feiert.

Mit den schlimmsten Befürchtungen und kribbelig sitze ich nun also vor der Stereoanlage, auch ob des schrecklichen Covers der neuen Scheibe, um den ersten Tönen zu lauschen. Im Opener "On The Air" wird man zunächst von "Sam", einem Charakter der oben erwähnten Konzeptscheibe, begrüßt, ehe man sich ob der warmen und soften Keyboardteppiche direkt in selige "Don't Be Late" oder "Humble Stance"-Zeiten zurückversetzt fühlt. Sobald der Gesang einsetzt, ist man, oder zumindest ich, zunächst einmal glücklich, wieder gelungene Melodiebögen vorzufinden, die auf dem letzten Album Mangelware waren. Ja, sie weisen sogar die Eleganz und Erhabenheit der glorreichen alten Zeiten auf! Im Refrain setzt dann die Gitarre ein und gibt dem Song ein bisschen Schwung und Roughness. Wir kommen zu einem großangelegten Break und es startet ein wunderschöner Part mit Piano und Akustikgitarre, man zitiert sich immer wieder ein bisschen selbst, aber alles klingt so verdammt frisch und dabei doch so nach dem alten Saga-Sound. "Keep It Reel" zeigt Saga von einer verdammt rockigen Seite. So laut und roh waren Ian Chrichtons Gitarren schon lange nicht mehr. Faszinierend auch, wie man es hier schafft, trotz dieser Härte immer wieder die Verknüpfung zu dem Sound der Vergangenheit aufrechtzuerhalten.
"I'm Back" startet wie der "Perfectionist" von 1978 mit Gitarrenlicks und hymnischen Keyboards, ehe man einen sicher gewollten Stilbruch macht, einen sehr smashigen Teil einleitet, mit rapähnlichen Gesangseinlagen und einem total rausgebrüllten ersten Refrain mit dem Text "I'm Back" und einem dann sofort nachgeschobenen zweiten Refrain, natürlich wieder im typischen Sound. Schnell noch ein state-of-the-art Ian-Gitarrensolo hinzugefügt, fertig ist eine rotzfreche Collage vergangener, unter Fans eher gefürchteter Zeiten der "Pleasure & The Pain"-Ära. "If I Were You\x{201D} nimmt jetzt erstmal ein bisschen Tempo raus - ist auch notwendig. Wenn schon nicht für die Leser dieser Seite, dann doch für die Fans, die ja auch mit ihrer Band älter werden. Für denjenigen der alle Saga-Alben zuhause hat: Erinnert mich an "Alone Again Tonight" vom "Security Of Illusion"-Album. "Outside Looking In" ist dann eine schöne Midtempo-Nummer mit Mellotron. "Don't Look Now" ist genau wie der Opener ein Titel, der wieder gnadenlos alle Saga-Zutaten auftischt. Mittlerweile dürfte klar sein, dass Saga schon seit einiger Zeit und ganz besonders mit diesem Album nur darauf aus sind, den Fans genau das zu bieten, was sie auch hören wollen. Die Zeit der Experimentierfreude und Unentschlossenheit hat man bereits in den 90ern durchlebt und hinter sich gebracht. Verkaufserfolg scheint sich auch eher mit der klassischen Schiene einzustellen. Und so gibt es noch 4 weitere Tracks auf "Network", die die durchweg hohe Qualität der Scheibe halten können, und belegen, dass die vier verbliebenen Ausnahmemusiker dank Neuzugang Simpson so etwas wie eine Frischzellenkur gemacht haben und mit neuer Motivation am Werke sind. Und so schließt auch mit einem Song, der garantiert als einer der absolut Besten ins Gesamtwerk der Band eingehen wird und auch garantiert live wie eine Bombe einschlägt: Don't Make A Sound

Da sich die Scheibe inhaltlich mit dem Thema "Wirkung der Medien/Massenbeeinflussung" befasst, kann man sogar das Cover durchaus nachvollziehen, auch wenn Bands wie Threshold auf "Subsurface", welches ja ein ähnliches Thema hatte, dies wesentlich besser gelöst haben.

Natürlich wird auch für SAGA die Vergangenheit qualitativ nicht mehr erreichbar sein, es wäre auch vermessen, dies von der Band nach einer so langen Zeit noch zu erwarten. Bei der Produktion hätte man sich dennoch etwas mehr Mühe geben können. Das Album wirkt undifferenziert und dumpf aufgenommen, dass Schlagzeug durch analoge Abnahme teilweise eher nach Pappkarton. Dies hat aber keinerlei Einfluss darauf, dass SAGA unter Einbeziehung aller Umstände ein äußerst gelungenes Album vorlegen.

Bewertung: 9



Quelle: http://www.metal1.info/reviews/reviews.php?rev_id=718

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