SAGA sind dieser Tage wieder auf großer Deutschlandtour unterwegs. Die Kanadischen Progressive Rocker haben seit langer Zeit besonders bei uns viele Anhänger, die der Band über all die Jahre auch schwächere Alben verziehen haben und eine treue Fangemeinschaft bilden, die sich aus den unterschiedlichsten musikalischen Bereichen zusammensetzt. Im Publikum findet man zwar großteils Hörer jenseits der 40, aber ob Altrocker oder Bankangestellter, der SAGA-Sound verbindet Menschen und zumindest eingeschränkt auch Generationen. Diesmal haben die fünf Kanadier das komplette “Heads Or Tales“- Album im Gepäck, welches in voller Länge und richtiger Songfolge zum Besten gegeben wird. Dieser Meilenstein bildet den Abschluss der Serie der für alle Zeiten unerreichten SAGA-Klassikeralben, angefangen von “Images At Twilight“ (1979), über “Silent Knight“ (1980) und “World’s Apart“ (1981) bis hin zum besagten “Heads Or Tales“ (1983). Solche Werke sollte die Band nie wieder veröffentlichen und immerhin folgten bis heute noch eine ganze Reihe hörenswerter Studioalben, Livemitschnitte und DVD-Zusammenstellungen. Vor einigen Jahren wurde ja auch schon “World’s Apart“ komplett ins Live-Programm genommen. Sicher ist es der Wunsch eines jeden Fans sein Lieblingsalbum wenigstens einmal im Leben komplett live dargeboten zu bekommen. Ich finde die Sache hat allerdings auch einen Haken, denn der Überraschungseffekt geht verloren und somit wird das Konzerterlebnis in gewisser Weise vorhersehbar. Wenn man weiß was man bekommt, ist es schließlich auch nicht mehr spannend. Handelt es sich dabei allerdings um ein Album dieses Kalibers, hat die Sache aber auch wieder seine Berechtigung.
Heute Abend haben SAGA keine Vorband im Programm, sodass man sich sofort in die verzaubernde Klangwelt der Kanadier begeben kann. Die Reise startet heute mit You’re Not Alone und führt über Careful Where You Step direkt zum ersten Megahit der Band Wind Him Up. Warum die Nummer so früh im Programm ist, kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn das Publikum ist nach den ersten Minuten kaum warmgelaufen und somit geht der Song leider völlig unter ohne seine eigentliche Wirkung zu entfalten. Darauf folgt der erste Titel (Step Inside) des aktuellen Albums “The Human Condition“, dem ersten Studiowerk ohne Michael Sadler.
Meiner Meinung nach wird besonders in der Live-Situation deutlich, dass Sadler eine unauffüllbar große Lücke im Bandgefüge hinterlassen hat. Der charismatische Sänger war immerhin 30 Jahre lang Frontmann und Aushängeschild von SAGA. Viele andere Gruppen wären wahrscheinlich nach dem Ausstieg eines solch bedeutenden Bandmitgliedes zerbrochen. Mit Rob Moratti haben SAGA zwar einen Sänger gefunden, der im Studio eine ordentliche Leistung abgeliefert hat, aber auf der Bühne nicht mal ansatzweise die Ausstrahlung seines musikalisch begnadeten Vorgängers besitzt. Das ist in etwa zu vergleichen mit QUEEN und Paul Rodgers. Ein durchaus talentierter Sänger tritt in die Fußstapfen einer Legende. Mehr als ein „Naja, ist ja ganz ok…“ kann man da wohl kaum erwarten. Im Gegenteil, man kann in dieser Situation eigentlich schon froh sein, wenn die Fans den neuen Mann überhaupt akzeptieren. Dies scheint bei SAGA ja funktioniert zu haben. Ich persönlich kann mich mit Rob Moratti allerdings nicht so recht anfreunden. Er wirkt statisch, fast wie ein Fremdkörper auf der Bühne. Seine Performance ist einstudiert und wird von ihm runtergespult mit dem ewig gleichen Lächeln und den immer gleichen Posen. Ich vermisse hier das Gefühl und die Authentizität. Bei mir kommt einfach nichts an und so freue ich mich fast schon auf die Instrumentalpassagen….Aber das sehen wohl längst nicht alle SAGA Fans so. Nun geht’s weiter mit der Darbietung des “Heads Or Tails“ Albums, bei der die beiden erfolgreichen Singleauskopplungen The Flyer und Scratching The Surface zu den Höhepunkten zählen. Ansonsten gibt’s währenddessen aber keine Besonderheiten zu verzeichnen. Danach folgt mit No Regrets mein persönliches Highlight der Show. Das melancholische Stück wird von Jim Gilmour ergreifend am Keyboard vorgetragen. Der Mann hat eine sehr herzliche, warme Stimme, die sich genau passend zur Melodie, angenehm ins Ohr schmeichelt. Der Abend neigt sich jetzt langsam dem Ende zu. Dies bedeutet es fehlen mindest noch zwei unverzichtbare Songs. Richtig! Der Band-Klassiker Humble Stance vom ersten Album und der SAGA Hit schlechthin On The Loose. Dabei erreicht die Stimmung endlich ihren Höhepunkt, denn der alte Gassenhauer erinnert wohl einige der inzwischen in die Jahre gekommenen Konzertbesucher an ihre eigene Jugend und lässt sie für einen kurzen Moment vergessen, dass morgen wieder der graue Alltag ruft. Mit It Never Ends und Don’t Be Late werden noch zwei Zugaben gespielt bevor der Vorhang fällt.
SAGA präsentieren sich also auch heute in durchaus guter Verfassung, was nicht zuletzt daran liegt, dass die beiden Crichton-Brüder immer noch in bester Form sind. Allerdings ist doch der neue Sänger zumindest gewöhnungsbedürftig und ein bisschen mehr Rock’n’Roll-Spirit könnte dem Publikum beim nächsten Mal auch nicht schaden. Rein musikalisch war das aber ein sehr anspruchsvoller und interessanter Abend mit ein paar Abzügen in der B-Note.
Thomas Dietz