Stuttgart: Longhorn Wangen, 04.05.1997 - Tageszeitung
Sie wünschen - wir spielen
Die Bombastrocker Saga im Wangener LKA
In den achtziger Jahren ist Saga die Lieblingsband der Gymnasiasten mit Leistungskurs Mathematik gewesen. Und ob's nun daran liegen mag, daß die einstigen Schüler mittlerweile keine mehr sind, oder ob der Saga-Sänger Michael Sadler den Bogen einfach ein bißchen überspannt hat, ist einerlei. Als Sadler basisdemokratisch den Lieblingssong des Publikums, der dann als nächstes zu spielen sei, zu eruieren gedenkt, stört ein gar vorlauter Schwabe das feierliche Procedere mit einem Zwischenruf: "Mir müsset morga ins Gschäft", schallt's dem seit Jahren in Süddeutschland lebenden Kanadier Sadler entgegen. Was soviel heißen soll wie: Spielt sie nur alle, die Hits wie "Wind Him Up", On The Loose" oder "The Flyer". Die Lieder des neuen Saga-Albums nämlich kommen im Wangener LKA weit weniger gut an. Was vielleicht daran liegt, daß die neuen Stücke ein bischen so klingen wie die von Bon Jovi vor fünf Jahren. Und dieser Umstand wiederum läuft einem Bandkonzept, das immer "Innovation" heißen sollte, geradewegs zuwider. Vor zwanzig Jahren, da sprang Saga auf den Progressiv-Rock-Zug auf und gab ihm relativ hart rockenden Zunder. Jetzt feiert sie Jubiläum mit einem Geburtstagstorten-Wettessen für drei auserwählte Fans, Sadlers Muhamed-Ali-haften Schattenboxenkünsten und - tja - Sagamusik: Ian Crichtons nicht endenwollende Gitarrensoli über den Plastiktastensymphonien von Jim Gilmour, souverän angetrieben vom wuchtig agierenden Drummer Steve Negus. Sadlers wohltemperierter Tenor paßt immer noch vorzüglich in dieses mal eine wenig steril wirkende, mal unerwartet fetzig aufflackernde Gemisch, und seine weit ausgestreckten Arme, die sich nie so recht zwischen Stadionrock und Opernbühne entscheiden können, wirken auf einer mit pfundweise Selbstbewußtsein drapierten Bühne nicht mal deplaziert. Vom ersten, bei gleißendem Saallicht gespielten Song bis zur Zugabe hat in Wangen eine wirklich gute Rockband eine gutes Rockkonzert absolviert. Alte Hits gab's zu hören, neue Ideen nicht unbedingt. Das muß auf einer Jubiläumstournee wohl genügen. Und irgendwie tut's das auch.
Michal Werner
Artikel: Martin Zak