Herz ist Trumpf

Aus dem dunklen kanadischen Nadelwald begibt sich auch Saga wieder ans Tageslicht der Musikszene. Was den symphonischen Rock der späten Siebziger Jahre betrifft, so setzten Saga wirklich sehr deutliche Zeichen. Und dass sich diese Band nach wie vor in Bestform befindet, das beweisen die Mannen um Sänger Michael Sadler mit ihrem neuesten Werk "House Of Cards" aufs Neue! Ein Geheimnis dieses Durchhaltevermögens über all die vielen Jahre dürfte wohl auch die Tatsache sein, dass Saga in dieser Zeit, in der viele andere Bands mit Besetzungswechsel zu kämpfen hatten, immer in der Originalbesetzung spielen konnten. Ein glücklicher und positiver Umstand, wie sich herausstellen sollte, denn bei den meisten Bands bewirken derartige Line-up Wechsel höchstens noch mehr Irrungen und Wirrungen, aber keine effektiven Verbesserungen.

So ist es auch Michael Sadler, der mir geduldig Auskunft über die Vergangenheit, Gegenwart und natürlich über das kürzlich kreierte Kartenhaus gibt? "House Of Cards" ist doch eigentlich recht heavy ausgefallen! "Also, wir haben uns nicht hingesetzt und uns vorgenommen, nun ein etwas härteres Album zu machen, so war das auf keinen Fall. Das ist nicht die Art und Weise auf die wir arbeiten. Es ist ein ganz natürlicher Prozeß, wir benötigten nur zwei Wochen für die Vorproduktion und wenn Du zu fünft in einer Band spielst und jeder steht auf härtete Musik, dann ist dieses Resultat eigentlich die ganz natürliche Folge davon. Es ist für mich immer wieder faszinierend, was Ian Crichton aus seiner Gitarre rausholt. Ich klinge dahingehend immer nur nach mir. Wir spielen jetzt schon seit zwanzig Jahren zusammen und Ian schafft es immer noch, mich völlig zu überraschen. Für mich persönlich ist 'House Of Cards' eine optimale Kreuzung aus unserer Musik früherer Jahre und der Moderne. Alles andere, was dazwischen lag ist ebenfalls ein bißchen darin verschmolzen, aber im Grunde geht es schon etwas 'back to the roots'. Du darfst nicht vergessen, wir werden dafür bezahlt, dass wir Spaß haben, ist das nicht cool?"

Selbstverständlich der coolste Job auf Erden! Ich werde immerhin dafür bezahlt, keinen Spaß haben zu dürfen! Kann ich dann vielleicht Deinen Job haben, wenn Du in Rente gehen solltest? "Ich werde niemals in Rente gehen! Weißt Du, wann ich letztlich in der Rente sein werde? Wenn ich tot bin und keinen Tag früher!" Klare Worte, dann muß ich also weiterrödeln! Aber Michael findet gleich den Faden wieder. "Ich war immer mit der Musik beschäftigt und ich werde auch den Rest meines Lebens mit Musik ausfüllen, sei es als Komponist oder als Musiker, egal. Dies ist meine Lebensaufgabe und für mich ist es unvorstellbar, ohne Musik leben zu müssen. Das ist bei Dir doch genauso, oder? Egal, ob Du Musikartikel schreibst oder ich als Musiker, das macht für mich keinen Unterschied (Naja, für uns schon.... - Red.). Hauptsache Du liebst die Musik und dann weißt Du ja auch, wie ich das alles meine!"

Warum habt ihr eigentlich diesen etwas wackeligen Titel für das Album ausgewählt? "Das 'House of Cards' spielt leider bei sehr vielen Menschen die wichtigste Rolle im Leben. Sie machen sehr viel Geld und all ihr Denken dreht sich um das blanke Business und darum, einige schöne Frauen in den Armen zu halten (hat auch was!), während sie die Aktienkurse studieren. Und dann passiert es, eines Tages ist alles weg, nämlich spätestens dann, wenn es dem Ende zugeht. Sie haben sich ihr ganzes Leben nur um diese materiellen Dinge gekümmert. Ihr ganzes Leben fällt zusammen wie ein Kartenhaus. Dabei gibt es doch so viele weitaus wichtigere Dinge da draußen im Leben, alleine ein Lächeln oder eine vereinte Familie, das ist doch eine ganz andere Ebene! Auch das Schönste im Leben kann eben plötzlich zusammenstürzen, das sollten gerade diese Leute einfach einmal bedenken, bloß dann ist es meist zu spät, um die wahren Werte im eigenen Leben neu abstecken zu können. Die meisten dieser Businessleute schauen mit 33 Jahren in den Spiegel und sehen darin einen 60 Jährigen."

Was ist das für ein Gefühl, wenn Du heute die Entwicklung des Prog Rocks verfolgst? Diese Musikrichtung ist ja richtig populär geworden. "Ja, da gibt es viele gute Bands, wie Dream Theater. Aber mit unserem neuen Album sprechen wir nicht nur eine bestimmte Generation an. Da muß ich immer diese Geschichten bringen, die ich so unheimlich wichtig finde. Auf unserer letzten Deutschlandtour saß ein etwa 5 Jahre altes Kind in der ersten Reihe auf den Schultern seines Vaters. Dieses Kind sang doch tatsächlich unsere Texte mit, und dass sogar besser als ich, he, he. Das war ein absolut superbes Gefühl! Unsere Musik ist einfach zeitlos. In Würzburg kam auf der selben Tour eine etwa 65 jährige Frau zu uns und ließ sich alle unsere Alben unterschreieben. Dabei entschuldigte sie auch noch ihren Mann, weil er nicht mitkommen konnte. Stell Dir vor, diese Lady kam zu unserem Soundcheck, um sich ihre LPs unterschreiben zu lassen. Nebenbei bemerkt, war das eine Heidenarbeit. Das ist Rock'n'Roll und diese Erlebnisse sind Emotionen, die Du nicht kaufen kannst, all die Reaktionen der Fans."

Das war wohl das älteste Groupie Deines Lebens, oder? (Schallendes Gelächter von Michael!).

Was hörst Du denn so von den derzeit aktuellen Bands? "Ich mag vor allem Creed und ich habe erst kürzlich erfahren, dass sie eine christliche Band sind, das hat mich fasziniert."

Wie füllst Du Deinen körperlichen Energietank wieder auf, wenn Du auf Tour bist? "Das Reisen ist schon sehr stressig, da trinke ich viel Gemüsesaft, nehme Vitamine. Aber Du kannst nicht vermeiden, dass Du am Ende einer Tour gut fünf bis zehn Pfund verloren hast, dann mußt Du Dich wieder regenerieren. Also die alten Klischees von Sex, Drugs und Rock' N Roll treffen hier nicht zu." Ein Musikerkollege wies mich da mal auf eine andere Fitnesskur hin. "Smoking and Masturbation" sagte dieser vor gar nicht allzu langer Zeit. "Ach ja, das ist auch gut, denn Vitamine und Gemüsesaft sind sehr teuer, he, he!"

Ihr habt jetzt bei Steamhammer einen Vertrag, ein Label, das eigentlich mehr für Metalbands berühmt ist. "Es macht überhaupt nichts aus, weil die Leute nämlich nicht danach gehen, bei welchem Label Du Deine neue Scheibe veröffentlichst. Es ist sehr schwierig ein Label zu finden, das Deine Musik wirklich mag und für Dich das Beste gibt. Alle dort bei Steamhammer lieben Musik und das war für uns auch das Entscheidende. Zudem sollten alle Leute die Möglichkeit haben, unser neues Album in jedem Laden kaufen zu können."

Was ist für Dich das Wichtigste, wenn Du einmal diese Welt verlassen mußt? "Das hört sich vielleicht dumm an, aber ich möchte ein Lächeln auf den Lippen haben. Da muß ich immer an meine Mutter denken, die mir vor sehr langer Zeit erzählt hat, dass Du genau das, was Du anderen gibst, auch wieder zurückbekommst! Und genau das ist der Schlüssel zu einem zufriedenen Leben!"

Ein besseres Schlußwort läßt sich wohl kaum finden!

Tom Klaner - 09.01.2001

Quelle: http://metal-reviews.de