Spielzeit: 135:00 (DVD 1), 52:00 (DVD 2)
Medium: DoDVD
Technik:
Region Code 0
Video: Standard NTSC
Sound: 5.1 Dolby, 2.0 Stereo
Bild 4:3
Label: InsideOut, 2007
Stil: Melodic Rock
Review vom 23.03.2009
Ingolf Schmock
Eigentlich sprach der Titel ihrer letzten gemeinsamen Studioproduktion 10,000 Days schon Bände - gerade solange, wie eine gut funktionierende Ehe halten kann, hielt auch die 'Beziehung' von Saga und Michael Sadler.
Die Scheidung geriet dementsprechend zu einer einvernehmlichen Abschiedsvorstellung, welche völlig skandallos, keinesfalls aber unspektakulär, ablaufen sollte. An dem Ort, wo man einst die größten Erfolge feiern durfte, wurde das rühmliches Ende zelebriert.
So sollte das Jahr 2007 zu einem ganz prägnanten Jahr in der Geschichte der wichtigsten musikalischen Vertreter in Sachen melodischen Bombastes aus dem Land der bunt karierten Holzfällerhemden geraten.
Die kanadischen Kultrocker feierten ihr schon drei Jahrzehnte anhaltendes kollektives Bestehen, und verkündeten damit die traurige Nachricht über den geplanten bzw. endgültigen Ausstieg ihrer aristokratischen Stimmensirene Michael Sadler, welcher sich mit dem Argument des nun vermehrt geforderten Vaters und Erziehers würdig aus der Affäre zog.
Man entschied sich aus gegebenen Gründen für die bayerische Landeshauptstadt als Austragungsort ihres letzten, gemeinsamen konzertanten Gefechtes auf europäischem Boden, welche schon 1982 als Klangkulisse für die in der Pop-Geschichte erste vollkommen digitale Live-Produktion, nämlich "In Transit", dienen durfte.
So wurde schließlich der Drehort, die Münchner Muffathalle, inklusive Kamerateam für den 5. Dezember besagten Jahres gebucht, um vor zweitausend frenetisch jubelnden Rockliebhabern die musikalischen Pralinen abzugrasen und für die Rockhistorie audiovisuell zu konservieren.
Michael SadlerDementsprechend durfte Gründungsmitglied und Frontmann Michael Sadler vor ausverkauftem Haus seiner affektiert-selbstdarstellerischen Darbietung noch einmal reichlich Futter einverleiben und sich mit einer Ausnahme-Combo im Rücken abfeiern lassen.
Mit Ausnahme weniger produktionstechnischer Durchhänger, haben die kanadischen Melodic-Rocker eigentlich in ihrer dreißigjährigen Karriere den stilistischen Weg nie verloren, selbst zu Zeiten der Synthie-Popper ihre Gitarrenwände und Keyboard-Burgen verteidigt, und ihren anachronistisch anmutenden Pomp Rock immer wieder einer kreativen Stammzellentherapie unterzogen.
Unvergessene Rekorde, wie ihr Auftritt vor 15.000 Anwesenden bzw. 27 Millionen Fernseh-Zuschauern bei "Rockpop In Concert" 1981 oder der Welttournee-Auftakt im Arbeiter- und Bauernstaat 1983, welcher komplett im Rahmen des Jugendfernsehens der DDR ausgestrahlt wurde, zaubert heute so manchem Rockfan im Osten unserer Republik noch immer ein Glänzen in die Augen.
Nun steht das visuelle Endprodukt des Münchner Konzertabends nach etlichen Verzögerungen endlich in den Verkaufsregalen, und versucht unter Aufwendung aller regietechnischer Mittel ein wehmütiges Musikereignis ins lauschige Wohnzimmer zu transportieren, was allerdings eher nur zum Teil gelungen erscheint.
Die Protagonisten agieren vorwiegend statisch, nebst eines ausgezehrten Frontmannes, dessen Jungbrunnen mittlerweile auch versickert ist und dessen karge, ergraute Haarpracht über die nahenden Rentenansprüche nicht mehr hinweg zu täuschen vermag.
So muss man Sadler bei diesem Auftritt leider für seine sonst tonangebende stimmliche Akkuratesse einige Abstriche attestieren, welches er aber durch eine durchgehend sehr emotionale und energetische Präsenz wieder versöhnlich auszutarieren vermochte.
Als überzuckerter Gesangs-Senior pflegt er dabei über die volle Distanz, und mit einigen durchgeschwitzten Oberhemden, fast schon rührigen Kontakt zum euphorisierten Publikum, was spätestens im Zugabenblock nervig wird. Überhaupt kommuniziert Sadler in einer merkwürdigen 'Denglisch'-Kombination ausgiebig mit dem Auditorium, und als er von seinen Bandkollegen mit einer Pappmaché-Krone in den höchsten Adelstand erhoben wird, wird es Zeit, die Taschentücher zu zücken.
Die ansteigende, unbändige Spiellaune der Musiker um die Brüder Crichton lässt die gesamte Szenerie zum Glück nicht in eine andächtige Starre verfallen, und erweckt die konzertante Saga-Historie ohne filigranen Schnickschnack, aber mit monströser Klangtapete, zu neuem Leben.
CrichtonWährend sich einige ihrer Kollegen als Showbands inszenierten, sind die Kanadier bis heute immer ehrliche Rocker geblieben, welche mit ihrem unverkennbaren, aufgeblähten Keyboardsound nebst den gehärteten Melodieläufen beeindruckten und nach getaner Arbeit unzählige Künstlergarderoben dieser Welt mit ihrem Schweiß benetzten.
Saiteninstitution Ian Crichton zelebriert dabei ohne jegliche Macho-Gestik eine schwindelerregende Gitarrenabfahrt nach der anderen und versucht erst gar nicht seinen Tasten-Kumpanen Jim Gilmour von den Fersen zu bekommen, welcher übrigens nebenher auch noch sängerische Fähigkeiten beanspruchen darf.
Der erfahrene Recke bekommt während des Sets selbstverständlich ein ausladendes Kokettierstückchen zugewiesen, das dieser mit erhabener Virtuosität aus den Fingern schüttelt, wogegen Aushilfsschlagzeuger Chris Sutherland, wenn auch mit frischem Bums, seine Karre unaufhaltsam in sandigen Boden schiebt.
Das sagenhaft gestopfte Füllhorn mit all den geliebten Gassenhauern schütten die von kraftstrotzender Potenz beflügelten Protagonisten in die aufkochende Menge, vergessen dabei aber auch nicht eine edle Portion Songmaterial neueren Datums mit anzupreisen. Natürlich lässt es sich bei einer Abschiedsvorstellung wie dieser nicht vermeiden, eine Menge sentimentale Akustik-Attitüde auf die Ohren zu kleistern, wobei Sadlers a cappella-Vortrag bei "The Security Of Illusion" wohl zum schmalzigen Höhepunkt avanciert, und so mancher gestandener Rocker in der ersten Reihe heimlich ein Tränchen verdrückt.
Natürlich hat der gemeine Prog-Fan bei Saga sperrige Arrangements meist vergebens gesucht, aber dafür deren melodieerfüllten, etwas angestaubten Frickel-Rock-Pathos nebst dem ideenreichen Synthie-Bombast bis zu diesem Tage in Ehren gehalten. Bei dem jetzt vorliegenden Konzertfilm spürt man seitens der laut mitsingenden Zuschauer den Wunsch nach einer etwaigen späteren Rückkehr Sadlers in die »Band, die für ihre Gefolgschaft musiziert«, wie der es formulierte.
Die Bühnenszenerie wurde recht professionell bzw. dynamisch abgefilmt, harmonisiert durch die glanzvolle Kameraführung mit den zyklisch angelegten Arrangements, und versetzt, abgesehen von ruckelfreien Einstellungen, dank Bildrauschen bzw. Konturenschwächen die Augen nicht gerade in Verzückung. Leider kann die technische Umsetzung auch in Audio-Hinsicht nicht optimal überzeugen. Der 5.1 Digitalton erschallt zwar sehr transparent aus den Boxen, schafft aber leider wenig, was man ernsthaft als Raumklang titulieren könnte. Dagegen bietet die leicht verwaschene Stereospur eine deutlich wärmere Atmosphäre.
Vielleicht sollte man zukünftig doch mehr in soundtechnische Ingredienzien investieren, weil ein Surround-Format dieser DVD auf jeden Fall gut zu Gesicht gestanden hätte.
Noch lange nach dem endgültig letzten Song dieses Abends und den letzten 'Goodbye Michael'-Schilder schwenkenden Zuschauern, verharrt der Betrachter vor dem flimmernden Bildschirm und hängt mit Wehmut in der Magengrube seinen eingebrannten Erinnerungen an diese einst so großartige kanadische Rock-Institution samt ihres charismatischen Walisers nach, welcher doch immer mehr den eitlen Selbstdarsteller als den breitbeinigen extatischen Rock'n'Roll-Gott verkörperte. Aber viel zu selten erlebt man eben, dass ein Sänger sich stilvoll verabschiedet und nicht heimlich in der Versenkung abtaucht, dafür gebührt ihm unser aufrichtiger Respekt.
Auch wenn sich der Vorhang für diesmal geschlossen hat, wird die 'Saga' weitergehen. Ein neues Studioalbum, samt der dazugehörigen "Human Condition"-Konzerttour, steht kurz vor ihrer Startfreigabe, und der neue Gesangskollege wird den Ring entweder mit einem blauen Auge verlassen müssen, oder aber als Sieger von einer der treuesten Fangemeinden bejubelt werden.
Die beiliegende Bonus-DVD wirkt, insbesondere angesichts der langen Produktionszeit, wie lieblos zusammengebasteltes filmisches Flickwerk, wobei die so genannte "Saga B-Roll", die einen Splitscreen zweier durchgehender Filme von der Bandprobe und parallel eine Doku aus deren Heimat Ontario aufzeigt, als unsinniger Ausrutscher verbucht werden sollte. Neben der schon obligatorischen Bildergalerie, können eigentlich nur die sechs mitgeschnittenen Songs des Mannheim-Konzertes überzeugen, welche mit einer grandiosen Bildqualität, aber dafür mit einem verminderten Klangkörper, das Kraut wieder fett machen.
So bleibt aber resümierend festzuhalten, das dieser für die Ewigkeit konservierte Konzertabend trotz einiger technischer Mängel wohl in keiner ernstzunehmenden DVD-Sammlung fehlen sollte - auch wenn er im Vergleich zu "Worlds Apart Revisited" insgesamt den Kürzeren zieht.
Allein schon wegen der vollendeten Tatsache an sich sollte man die drei Dekaden überdauernde Rock-Historie in Fels meißeln.
"Contact - Live In Munich" erscheint auch als Limited Edition mit Doppel-DVD und Doppel-CD im hochwertigen Package mit Schuber.
Line-up:
Michael Sadler (vocals)
Ian Crichton (guitars)
Jim Gilmour (keyboards)
Jim Crichton (bass)
Brian Doerner (drums)
Tracklist
DVD 1:
01:The Interview
02:That's As Far As I'll Go
03:You're Not Alone
04:I'm OK
05:Can't You See Me Now
06:Book Of Lies
07:The Perfectionist
08:Drum Solo
09:The Flyer
10:Mind Over Matter
11:The Security Of Illusion
12:Time's Up
13:Piano Solo
14:Scratching The Surface
15:We've Been Here Before
16:On The Air
17:On The Loose
18:Careful Where You Step
19:10,000 Days
20:Wind Him Up
21:Humble Stance
22:Don't Be Late
23:What's It Gonna Be Tonight?
DVD 2:
01:Saga B-Roll
02:Underground TV-Live In Mannheim
a:You're Not Alone
b:Can't You See Me Now
c:The Perfectionist
d:Mind Over Matter
e:We've Been Here Before
f:On The Loose
03:Photo Gallery
a:30th Anniversary Tour 2007
b:Munich-The Farewell Show Of Michael Sadler
Quelle: http://www.rocktimes.de/gesamt/s/saga/contact_live_in_munich.html