All Areas
Man könnte meinen, die Heimat des Prog-Rock sei Kanada. Denn von da stammen nicht nur die legendären Rush, sondern auch Saga, deren Gründung etwas mehr als 25 Jahre zurückliegt. Der ganz große Durchbruch ist den Herren um Michael Sadler nie geglückt, mit Songs wie "Humble Stance" oder "On The Loose" waren sie aber in den 70er und 80er Jahren immer wieder weltweit in den Radiocharts zu finden. Besonderer Beliebtheit erfreuten sie sich immer wieder in Europa.
Im letzten Jahr feierten die Kanadier also 25jähriges Jubiläum, überraschenderweise gaben sie zu diesem Anlass jedoch weltweit nur drei Konzerte, und das einzige in Europa wurde aus unerklärlichen Gründen in Bonn aufgezeichnet. Auffällig ist dabei schon, dass weder im Beiblatt noch im Informationstext die Location erwähnt wird. Zu Beginn der Show hat man den Eindruck, es ist ein Zelt auf dem Schützenfest, das auf im Bonus-Material enthaltene Making Of klärt auf, dass es der Museumsplatz ist.
Bevor der vermeintlich Opener "Careful Where You Step" beginnt, bekommt man zu sehen, wie die Band sich orientiert und Jim Crichton sich an der Nase kratzt. Sehr unprofessionell. Das Gesamtbild stimmt überhaupt nicht, es ist viel zu hell, der künstliche Nebel ist vollkommen überflüssig. Als es endlich losgeht weiß wenigstens der Sound zu überzeugen. Nach einer gewissen Weile bekommt man zwar den Eindruck, dass mit einigen Overdubs nachgeholfen wurde, aber das ist legitim.
Das Schlimmste steht noch bevor. Nach dem ersten Song wird ausgeblendet, zum zweiten wieder eingeblendet. Dieses stilistische Fauxpas zieht sich durch die ganze DVD. Was immer in den Pausen gesagt wurde, der Zuschauer erfährt es nicht. Schlimmer noch, die chronologische Reihenfolge wurde verändert! Die (Tages-)Lichtverhältnisse wechseln ständig, und Frontmann Sadler hat seine Jacke mal an, mal nicht. Die Atmosphäre eines kompletten Gigs kommt zu keiner Zeit auf, eine visuelle Katastrophe.
Man muss sich ernsthaft fragen, was die Macher sich dabei gedacht haben. Diese Mankos überschatten die ganze DVD. Da hilft es auch nichts, dass die Setlist, wie es sich für eine Jubiläumsshow gehört, mit Krachern gespickt ist. "Wind Him Up", "The Runaway" und nicht zuletzt das grandiose "Humble Stance" lassen normalerweise nicht viele Wünsche offen, schon gar nicht in diesem Sound. Aber all das wird durch die dilettantische Machart ruiniert.
Das Bonus-Material hält ebenfalls keine Highlights parat. Das knapp 7-minütige "Making Of" beinhaltet nicht ein einziges Interview, sondern nur einen am Stück durchgesprochenen Text. Deutsche Untertitel gibt es dazu nicht. Die Fotogalerie enthält nur Bilder aus der Show selbst und ist damit belanglos. Die Diskographie ist nett gemacht aber den Saga-Fans selbstverständlich bekannt. Weitere Extras gibt es nicht. Das Menü ist zu allem Überfluss viel zu dunkel und daher unübersichtlich geraten. Darüberhinaus gibt es keinen "Play All"-Button für das Konzert bzw. die "Ansammlung von Mitschnitten".
Ein Vorspann existiert auch nicht, man kann allenfalls den Menü-Punkt "Credits" anwählen, der enthält sogar Interview-ähnliche Szenen! Warum war das nicht im "Making Of"? Dieses Chaos hat kein Fan verdient. Aber da es kaum Ausweichmöglichkeiten gibt, wird dieser dennoch auf die "All Areas"-DVD zurückgreifen müssen. Eine Frechheit, die sich allerhöchstens durch die Bonus-Disc rechtfertigen lässt, die der Limited Edition beiliegt. "Marathon World Tour 2003 - The Official Bootleg". Sie kann nur besser sein ...
Quelle: http://www.whiskey-soda.de