Er ist wieder zurück! Nachdem der charismatische Originalfrontmann Michael Sadler den kanadischen Proggies Ende 2007 den Rücken kehrte und die Rockerrente beantragen wollte, waren die die Fans verwirrt. Mit Rob Moratti fand man einen passablen Nachfolger, der allerdings nie die Magie seines Vorgängers versprühen konnte. Das mit ihm aufgenommene Album "The Human Condition" wusste zwar zu überzeugen, aber gerade live machte er seine Unsicherheit mit einem Anflug von Arroganz wieder wett. Also blieb SAGA nichts anderes übrig als mit dem alten Sänger Perspektiven für eine erneute Zusammenarbeit zu finden. Vor allem das hohe Arbeitspensum störte den Familienmenschen Sadler doch sehr. Im letzten Jahr gab es nur ein paar Festivals und eine Tour mit MARILLION und es dauerte drei Jahre, bis mit "20/20" ein neues Studiowerk aufgenommen wurde. Dabei ist der Titel eindeutig zweideutig zu sehen. Zum einen ist es das zwanzigste Album der Formation, zum anderen der Wert für perfekte Sehkraft. Ein kleiner Genesungswunsch für Keyboarder Jim Gilmour, der auf der Herbsttournee an den Augen erkrankte und fast sein Augenlicht verlor. Schon der Beginn zeigt mit seinen typischen Harmonien zwischen Gitarre und Keyboards, dass die Truppe auch nach abermaligen Sängerwechsel kaum von ihrem seit längerem eingeschlagenen Weg abweicht. Waren die Neunziger noch von Experimenten geprägt, so ging man mit "Full Circle" zurück zu dem angestammten Sound der ersten Alben.
"Six Feet Under" beginnt verhältnismäßig ruhig, steigert sich aber zum Refrain hin, während Ian Crichton die Nummer mit kleinen Spielereien aufwertet. Schon hier ist der Gesamtsound etwas poppiger und kompakter ausgefallen als auf dem Vorgänger, was vor allem beim folgenden "Anywhere You Wanna Go" auffällt. Bei dessen hymnischen Refrain geht man noch mehr in die Richtung von Spätachtziger-Werken. Zwar wie eingangs gesagt typisch SAGA, aber es fehlen ein wenig die tiefen, schweren Synthesizer, die man von Klassikern wie "Careful Where You Step" her kennt.
Ebenfalls recht kompakt kommt die Ballade "Ellery" daher, die aber gerade wegen der fehlenden Tiefe recht dröge ausfällt. Da können auch die tollen Duette mit Jim Gilmour im Refrain wenig dran ändern. Gleich mehrere Ecken rauer schieben danach die Riffs "Spin It Again" nach vorne, dass von der Machart an "The One" erinnert. Gerade im Vergleich mit diesem läst sich aber nicht verhehlen, dass die Melodien hier nicht so zünden wollen wie man es von dieser Truppe gewohnt ist.

Woran das liegt ist schwer zu sagen, klar kann die etwas poppigere Ausrichtung etwas damit zu tun haben, aber "Behaviour" wusste damals auch zu überzeugen. Irgendwie haben es SAGA nicht hinbekommen dem Heimkehrer auch wirklich tolle Kompositionen zu präsentieren. Was insofern schade ist, da man sich drei Jahre Zeit ließ, während man bei viel kürzeren Intervallen zwischen den Alben davor die gewohnte Qualität liefern konnte. Doch auf Sadler selbst hat eine Mitschuld daran, er kann mit seiner außergewöhnlichen Stimme kaum Akzente setzen und bleibt bemerkenswert blass. Basser und Hauptkomponist Jim Crichton hatte am Rande eines Konzertes zu "The Human Condition" über immer geringere Studiobudgets geredet, und tatsächlich fehlt hier der letzte Schliff.

Lediglich "One Of These Days" wirken die Arrangements wirklich ausgereift, die Kruden Licks seines Bruders schneiden punktgenau zwischen die flirrenden Keyboardschwaden. Aber das passiert zu selten, was "20/20" der Spannungsmomente beraubt. Richtige tolle Atmosphäre im Stil von "Don´t Be Late" kann vielleicht noch "Ball And Chain" aufbauen, auch wenn der ganz große Pathos fehlt. Knackiger kommt noch "Show And Tell" rüber, leidet aber auch wieder an der etwas poppigen Abmischung. Das könnte aber auch ein Nebeneffekt nicht effizienter Studioarbeit sein.
Zwar beherrschen die Kanadier natürlich ihre Instrumente bis zur äußersten Perfektion und wissen auch auf dem Dreher phasenweise damit zu überzeugen. Doch mit dem Können gelingt es ihnen lediglich aus dem Material eine solide Angelegenheit zu machen. Da hätte man sich nach der Reunion deutlich mehr erwartet. Seit der Hinwendung zum ureigenen Stil neben "Marathon" das schwächste Album der Herren. (Pfälzer)

Bewertung: 7 / 10


Quelle: http://neckbreaker.de/cd-reviews/5092-saga-2020

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