Saga und It Bites (25.04.2009, Turbinenhalle, Oberhausen, maddin)

Ein Konzertbericht sollte in erster Linie Informationen bieten: Setlist, Dauer des Gigs, Resonanz und Anzahl der Zuschauer, Plus / Minus für den Sound, die Umstände allgemein und natürlich – NATÜRLICH!! - die Bierpreise.
All das werde ich auch liefern, dennoch fällt es mir schwer nur eine knappe Stunde nach Ende des ersten Saga Konzerts ohne Michael Sadler halbwegs vernünftige Sätze in die Tasten zu hämmern.
Was war das gerade? Soll ich nun lachen oder heulen?


Fangen wir mal ganz von vorne an: Die Vorzeichen stehen auf „gut“. Saga verirren sich nach der 2003er „Marathon“ - Tour endlich mal wieder in den Pott und das Konzert findet tatsächlich im großen Saal der Turbinenhalle, der ein Fassungsvermögen von ca. 3000 Leuten hat, statt.
Es finden sich an die 500 Personen ein, was für jeden Fan einen unvergleichlichen Komfort darstellt: Kein Gedränge, freien Zugang zu den ersten Reihen, den Bierständen und den sanitären Einrichtungen. Natürlich fehlen auch die Standard - Erlebnisse eines typischen Saga Konzerts nicht: Da werden die Hocker von der Bar mal eben bis in die 4. Reihe transportiert – stehen geht ja gar nicht! - und als It Bites die Bühne betreten, hört man fachkundige Kommentare wie: „Ist das jetzt die Vorgruppe oder schon Saga?“ Nun, ja....

Tut dem Spaß aber keinen Abbruch, denn als It Bites in weissen Overalls auf die riesige Stage schlurfen, beweisen mindestens zwei Drittel der anwesenden Leute ihren guten Geschmack, indem sie den Briten einen mehr als herzlichen Empfang bereiten.
Dem Schreiber dieser Zeilen war die Truppe bis dato unbekannt, doch als ich John Mitchell (Arena, Kino) erkannte, hätte ich mir vor Glück beinahe in die Hose gepisst. Gottlob ist das Beinkleid trocken geblieben, denn der Gang in die Inkontinenz - Ambulanz hätte zur Folge gehabt, diesen geilen Gig nicht erlebt zu haben.
So aber durfte ich Göttergaben wie das höchst melodiöse „Oh, My God“, das fetzige „Ghosts“ oder den Übersong „The Wind That Shakes the Barley“ erleben. Britischer, leicht poppiger Neo Prog, wie er britischer nicht sein könnte. Herrlich!

Neben Mainman Mitchell - mir war wirklich nicht bekannt, wie gut der Mann Gitarre spielen kann - war Keyboard – Weirdo John Beck der Blickfang schlechthin. Der Mann spielt zwei Melodien gleichzeitig, guckt dabei verwirrt in den Himmel und singt dazu noch die Co – Vocals.
Was für ein beklopptes Genie!!
Nach gut 50 Minuten tobte der Saal und ich musste lange warten, bis ich am Merchandise - Stand die CDs der Band erwerben konnte. Es sei ihnen gegönnt.

Dann war es endlich soweit: Mit dem wuseligen instrumentalen Titeltrack „The Human Condition“ vom neuen Album legten SAGA los. Und wie!
Die kanadischen Urgesteine bewiesen eindrucksvoll, dass sie nicht zu den Guten, sondern zu den Besten gehören. OK – das gehört zum Allgemeinwissen, nix Neues bis hierhin.
Endlich dann betrat ER die Bühne: der Neue, Rob Moratti, auf den wir alle so gespannt waren. Und ich neige fast dazu, hier folgende Floskel zu verwenden: „Es war der Anfang vom Ende!“

Zur Klarstellung: Rob ist ein begnadeter Sänger. Er hat die alten Stücke wirklich absolut fehlerfrei intoniert. Bei Kloppern wie „On the Loose“ war seine Gesangsdarbietung dermaßen geil – er hat, obwohl seine Stimme komplett anders als die von Michael Sadler ist, exakt die richtige Mischung getroffen -, dass man eigentlich auf die Knie sinken müsste.
Doch Leute, ich bin ein Rockfan und ich sinke nicht vor einem Rex Gildo - Verschnitt auf die Knie. Das hört sich schlimm an? Nun, das war es auch!

Mr. Moratti beherrscht genau drei Posen, die er bis zum Erbrechen wiederholt:
1. Mikro in der rechten Hand, linke Flosse auf der Brust und im Minutentakt, natürlich völlig unpassend zu Text und Musik, eine ausladende Bewegung a la D.T. Heck.
2. Absolut arhythmisches Klatschen in Schwuchtel – Manier.
3. Konstantes Grinsen in die Menge mit dem Charisma eines schmierigen Autoverkäufers.
Das hört sich übel an, aber in Natura war es noch viel übler.
Das Allerschlimmste aber: er hat die alten Songs – die neuen sowieso - zwar perfekt, aber ohne Seele und Liebe gesungen.
Bei Meisterwerken wie „Don’t be Late“ erwarte ich von einem Berufsmusiker, dass er dieses akustische Kunstwerk mit Leidenschaft performt und nicht einfach nur „Dienst nach Vorschrift“ macht.

Ich gehörte zu der Fraktion der Saga - Fans, die Michael Sadler nicht nachtrauert und habe mich richtig auf die neue Besetzung gefreut. Die aktuelle Scheibe ist der Hammer, doch dass viele Leute das Konzert vorzeitig verlassen haben, kann ich jetzt absolut nachvollziehen.
Ein Beispiel: der Uralt – Hit „Humble Stance“ wurde in der Mitte des Sets platziert und im Regelfall tobt hier der Bär. Doch mit diesem Mann an der Bühnenfront ist der Klassiker zum netten Liedchen verkommen. Keine Spur mehr von der alten Magie.
Warum holt sich eine Band mit Legenden – Status einen derart schlechten Frontman ins Boot? Warum? WARUM???

Natürlich war nicht alles schlecht und eigentlich ist es Blödsinn, sich von einem Schönling, den sie bei Journey nicht genommen haben, den Gig verhageln zu lassen.
So durften wir einen Ian Crichton erleben, der schon fast Angus Young like über die Bühne tobte. So rockig und locker habe ich den sonst eher muffeligen Gitarrero noch nie gesehen. Fantastisch!
Auch sein Bruder Jim („Mr. Supercool“) wirkte ungewohnt fröhlich und führte entspannt Regie.
Keyboarder Jim Gilmour gab wie immer den Oberknuddel und sein „Scratching the Surface“ war – auch wie immer – schlicht hinreissend.

Das Saga nie wieder wie Saga sein würden, das war klar. Aber so? Nee! Das wollen wir nicht!
Entweder erklärt die Band ihrem neuen Sänger, wie man sich als Frontman zu verhalten hat oder sie machen sich erneut auf die Suche (wie wär’s denn mit John Mitchell?).
Mir zumindest hat die Vorband besser als der Hauptact gefallen und das darf bei einem Saga Konzert eigentlich nicht sein.

Der Vollständigkeit halber: Der Sound war bei beiden Bands - zumindest vorne – absolut perfekt. Bei It Bites waren die ersten 10 Minuten wesentlich zu laut; unsere 80er Jahre Mittelscheitel wurden arg beschädigt, so sehr dröhnte die Bass Drum aus der PA. Ansonsten gab es aber nix zu mäkeln – außer den überhöhten Bierpreisen logischerweise.
Und nun werde ich mir erstmal die „Contact“ - DVD reinziehen und Michael Sadler nachtrauern…

Setlist:

The Human Condition
The Flyer
Wind Him Up
You Were Right
On The Air
Book Of Lies
Careful Where You Step
Step Inside
Humble Stance
Scratching the Surface
Crown of Thorns
You Look Good to Me
Don't Be Late
You're Not Alone
-------------------
It Never Ends
On The Loose


Quelle: http://www.squealer-rocks.de/neu_livereview.php?var=121

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