Die Zukunft liegt in der Vergangenheit
Von LARS FISCHER
Ritterhude. Es gibt Fehler im Leben, die kann man rückgängig machen. Dreieinhalb Jahre haben Saga gebraucht, um zu erkennen, dass sie als Band nur mit ihrem Sänger Michael Sadler eine Zukunft haben. Nach ersten Auftritten in ihrer kanadischen Heimat spielen die Wiedervereinigten nun also bei einigen Festivals in Europa, darunter auch die sechste Ritterhuder Torfnacht mit Afterburner im Vorprogramm. Im Herbst soll dann eine Clubtour folgen, die die Band am Mittwoch, 23. November, auch wieder in die Worpsweder Music Hall führen wird.
Die Klangverhältnisse dort werden dem detailreichen und äußerst dichten Sound Sagas erwartungsgemäß mehr in die Karten spielen als bei dem Open Air am Hammeforum, wo manche Feinheit der notwendigen Durchschlagskraft geopfert wird. Das wiederum wissen Afterburner für sich zu nutzen. Die Covertruppe aus der Region ist bekannt als partytauglicher Garant für gute Laune. Ihre Herangehensweise an Hitparaden-Erfolge aus den 60er bis 80er Jahren ist konträr zur musikalischen Auffassung von Saga: Wo die Kanadier gern mal einen Schlenker mehr schlagen, da neigen die Osterholzer zum Vereinfachen.
Mit Sadler zurück zu alter Stärke
Afterburner verstehen sich an diesem Abend als Anheizer und erfüllen die Anforderungen an diese Rolle voll. Die laut Veranstalterangaben rund 1500 Zuschauer kommen langsam in Stimmung und den Rest besorgt dann Michael Sadler. Mit ihm ist Saga zu alter Stärke zurückgekehrt und vor allem überträgt sich die entspannte Stimmung auf der Bühne aufs Publikum. Die Musiker kommunizieren und interagieren miteinander, ganz anders noch als bei ihrer vergangenen Tour im Vorjahr, als fünf Individualisten, die kaum etwas miteinander zu tun zu haben schienen, auftraten.
Saga hatten sich zum ersten Mal in ihrer 34-jähriggen Bandgeschichte verrannt. Nach Sadlers Ausstieg, den er selbst aus familiären Gründen vollzog und der sehr freundschaftlich und emotional verlief, gelang 2009 ein erfolgsversprechender Neustart mit Rob Moratti am Mikrofon und dem Album "The human condition". Im Jahr darauf aber präsentierte sich die Band schlecht aufgestellt, mit dem unsinnigen Konzept das Album "Heads or tales" live aufführen zu wollen und markant fallenden Zuschauerzahlen. Eine einzige Enttäuschung.
Der einzige Ausweg aus dem Dilemma war, aus dem Familienvater Sadler wieder den Rock'n'Roller Sadler hervorzulocken und ihn zur Reunion zu überreden. Viel Worte hat es nach Auskunft von Keyboarder Jim Gilmour dazu nicht gebraucht. So folgt also der Farewell-Tour, der Moratti-Debüttour und der Desastertour die Comebacktour. Das dahinter irgendeine wirre Marketingstrategie steckt, liegt indes nicht nahe zu vermuten.
Ohne aktuelles Material - ein neues Album ist bereits in Produktion und soll später in diesem Jahr erscheinen - präsentiert die Truppe um die beiden Brüder Ian (Gitarre) und Jim Crichton (Bass, Moog) und mit dem ebenfalls zurückgekehrten, genesenen Drummer Brain Doerner einen Querschnitt aus ihrem Gesamtwerk. Ein Programm wie gemacht für eine Veranstaltung wie die Torfnacht, bei der sicher nicht nur eingefleischte Saga-Fans zuhören.
So sind weitgehend bekannte Hits wie "The flyer", "On the loose" oder "Don't be late" sichere Bänke, dazwischen stehen aber auch unbekanntere Stücke und einige etwas überangestrengt wirkende Instrumentals, die Sadler schon mal - auf Deutsch - als Lieder ankündigt, bei denen er immer den Text vergesse. Die streckenweise höchst komplizierten Abläufe und die genau aufeinander abgestimmten Synthesizer- und Gitarrensounds funktionieren so perfektionistisch wie von den Progrockfans geliebt. Obendrein hat Sadler von seinem einnehmenden Charisma nichts eingebüßt.
Die Erkenntnis, dass die Maschinerie Saga nur dann wirklich rund läuft, wenn alle diese Rädchen ineinander greifen, scheint die Band zu beflügeln. Bei aller technischen Präzision zeigt sie Spielfreude und kommt nicht um zwei Zugaben herum, die mit "Humble stance" natürlich die eindeutig beliebteste ihren zahlreichen Kompositionen enthält. Mit ihrem personellen Rückgriff in die Vergangenheit haben sich Saga ihre Zukunft gerettet.
Quelle: http://www.weser-kurier.de/