Böblingen 1990 - Artikel 1: Tageszeitung

Helmut Buchholz

Konzertveranstalter Erwin Russ hatte wohl in seinem Erinnerungsalbum geblättert, und dabei drei Bands aus längst vergangenen Rocktagen hervorgekramt Und so trafen sich "Nazareth", "Saga" und "Kansas" zur "Melodic Rock Night" in der Böblinger Sporthalle.
Die drei Bands haben völlig verschiedne musikalische Konzepte. Dennoch haben sie eins gemeinsam: Sie sind bei den Kids nicht mehr angesagt.

In den Ohren weh
Was sich nach dem Auftritt von Nazareth wohl auch nicht ändern wird. "Love hurts" die Schmalz- und Triefballade von 1974 der schottischen Hardrocker der ersten Stunde tat nicht nur im Herzen weh. Auch in den Ohren. Der Gitarrist der Band hatte einen schlechten Tag erwischt. Er spielte falsch, was man falsch spielen konnte.
"Dream on" und "This flight tonight", "Nazareth" spielte seine Hits von annodazumal runter. Kaum einer in der nur etwa zur Hälfte gefüllten Sporthalle, der dafür eine Wunderkerze opferte. Traurig, dass die Band nach jetzt ummerhin 21 Jahren Bühneneffahrung sich traut, ihren Fans sowas zuzumuten.

Aalglatter Sound
Ganz anders Saga Seit 1977 schneidern die Kanadier einen aalglatten Sound. Klangteppich sind und waren dabei die Keyboards, auf denen die Gitarrenparts sozusagen, als Staubsauger drüberfahren.
Die Kompositionen sind zwar nicht besonders kompliziert, aber das verlangt ja auch keiner. Dafür spielt Saga sauber und korrekt, schon fast perfekt.

Kanadische Nationalflagge
Und das beste ist: Sie bringen ihren Sound auch auf der Bühne. Was bei dem Syntheseizer-Aufgebot (immerhin standen drei Keyboards auf der Bühne) gar nicht so einfach ist. Bei "Dont be late" und wie ihre Chartserfolge alle heißen mögen: Die treue Fangemeinde schwang sogar die kanadische Nationalflagge.

"Point of no Return"
Topakt des Abends aber war Kansas. Los gings gleich mit zwei Stücken von der fast legendären "Point of no Return"LP. Und natürlich durfte auch das "Dust in the wind" nicht fehlen. Leider nur mit Keyboardbegleitung statt mit Geige wie im Original.

Eigentlich schade, daß Kansas nicht mehr den Erfolg von einst hat. Denn was die US-Band am besten kann, fehlt den Teenie-Bopper-Formationen, die bei den Kids heute so aktuell sind. Kompositionen mit gekonnten Rhythmuswechseln, ein schon fast orchestraler Sound, der kein bischhen antiquiert klingt. Könner an ihren Instrumenten (Steye Walsh an der Gitarre war ein Genuss), perfekt im Timing, schlicht die Light- und Bühnenshow, dafür die Musik umso beeindruckender.

Bleibt zu hoffen, dass Erwin Russ noch öfter in seinem Erinnerungsalbum blättert Es lohnt sich. Wie Saga und Kansas in der Sporthalle bewiesen...
Artikel: Gerald Gierth


 

Böblingen 1990 - Artikel 2: Tageszeitung

Noch nicht beim alten Eisen

Melodic Rock Night in der Sporthalle: Nazareth, Saga und Kansas

BÖBLINGEN. Ihre größten Erfolge hatten sie in den 70ern bzw. 80ern: Nazareth, Saga und Kansas. Am Dienstag spielten sie In der mit knapp 2000 Zuschauern recht unterbesetzten Sporthalle. "Melodic Rock Night" nannte sich das Ganze. Den Anfang machten Nazareth, oder besser gesagt der Drummer Darrel Sweet mit einem Solo. So weit, so gut, nur wurde die Lautstärke dieses Instruments nicht mehr so recht gedrosselt, so dass man von Manny Charltons Gitarre fast nichts hörte.

Der Auftritt der vier Schotten, die Klassiker wie "Love hurts" hervorbrachten, war somit recht schwach. Bei "Dream on" vermisste man stark die Keyboard-Passagen. Manchmal hat man den Eindruck, dass Rock-Legenden, wenn sie einen gewissen Punkt erreicht haben, besser aufhören sollten, um nicht die gute Erinnerung der Fans an die "gute alte Zeit" auf diese Art zu vernichten.

Nach diesem Auftritt umgab einen die böse Vorahnung, dass die folgenden zwei Bands genauso abschneiden würden. Saga bewiesen allerdings gleich das Gegenteil. Melodien aus Phantasy- und Science-Fiction-Elementen sind für die Musik der drei Stammmusiker Michael Sadler (voc./bass/keyb.), lan (git.) und Jim Crichton (bass/ keyb.) charakteristisch.

Ende der 70er, Anfang der 80er feierten die Kanadier vor allem in Deutschland große Erfolge. Saga sind eine Band, die ihrem Stil treu geblieben sind, die Songs sind komponiert und wohl kaum beim "Drauflosspielen" entstanden. Höhepunkt ihres Auftritts war zweifellos das "Duell" zwischen Michael am elektronischen Schlagzeug und dem Tourdrummer am akustischen.

"Dust in the wind" Ist wohl das bekannteste Stück von Kansas, man hört die Melodie sogar in der Werbung. Pompöse, reichverzierte Keyboard-Arrangements, dramatischer Gesang und ein sehr guter Gitarrist (Steve Morse) sicherten "Amerikas Antwort auf Yes" einen Platz im Rockhimmel. Bei ihrem Auftritt bewiesen sie, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören, sondern es immer noch verstehen, das Publikum mitzureißen. Wer Ihre Songs nicht kennt, muss in den letzten 20 Jahren gepennt haben, denn "Point of no return", "Lonely wind" und wie sie alle heißen, Stücke, die jeder, der Rock mag, einfach kennen muss.

Auffallend war, dass die Bands äußerlich nicht in irgendwelche Klischees zu pressen sind, da sie nicht In der typischen Rock-Uniform (Lederklamotten und Stiefel) auftraten, von Ausnahmen einmal abgesehen.

RENE OLMA
Artikel: Gerald Gierth


 

Böblingen 1990 - Artikel 3: Tageszeitung

Punktsieg mit Liebgewordenem aus alten Tagen

Eine "Melodic Rock Night" mit Nazareth, Saga und Kansas in der Böblinger Sporthalle

"Als wir diesen Song geschieben haben, waren viele von euch wahrscheinlich noch gar nicht auf der Welt." Die Ansage von Kansas-Sänger Steve Walsh zum "Song For America" ist natürlich pure Koketterie. Denn in der Böblinger Sporthalle haben sich zur "Melodic Rock Night", bei der auch noch "Nazareth" und "Saga" mitgewirbelt haben, hauptsächlich die Fans versammelt, die auch schon 1975 Anhänger des Kunstrock-Genres waren. Denen sind auch die mitreißenden Konzerte der "amerikanischen Antwort auf Yes" von 1978 noch in lebhafter Erinneriung. Doch die Zahl der 30 bis 35jährigen, die bereit sind, annähernd vier Stunden Rock-Dröhnung - plus zwei längere Umbauzeiten - zu erdulden, hält sich in Grenzen. So sind es nicht einmal 2000 Getreue gewesen, die an der Reise in die Rock-Vergangenheit teilgenommen haben.

Für die Tatsache, dass es keiner der Gruppen gelungen ist, jüngere Publikumskreise für ihre Musik zu begeistern, gibt es Gründe. "Nazareth" waren trotz einiger Hits wie "Dream On" oder "This Flight Tonight" eh nie eine herausragende Rockformation, Dan McCafferty ein Sänger, der oft im Konzert diesen Namen nicht verdiente. Fairerweise sei erwähnt, dass in Böblingen seine Stimme erholt klang. Sonderlich ambitioniert war es dennoch nicht, was "Nazareth" zu bieten hatten.

"Saga" sind in den vergangenen Jahren schlicht und ergreifend die Melodien ausgegangen. Ihre jüngsten Werke klingen zwar immer noch reichlich vertrackt, eine innere Logik fehlt ihnen aber vollkommen. Und "Kansas" hatten sich nach ihrer Wiedervereinigung im Jahre 1986 - damals noch ohne Hauptkomponist Kerry Livgren, dafür mit Gitarrenstar Steve Morse - aufs überfüllte Mainstream-Parkett begeben und waren dort mächtig ausgerutscht.

Den Beteiligten muss anscheinend klar sein, dass sie in der jüngeren Vergangenheit etliche Fehler begangen haben. Sowohl bei "Saga" als auch bei "Kansas" bestand das Programm zu 90 Prozent aus Songs der guten alten Tage. Als Punktsieger kann sich "Kansas" fühlen. Das liegt vor allem an Frontmann Steve Walsh an dem die vergangenen Jahre fast spurlos vorbeigegangen sind. Allein seine artistischen Schrittkombinationen und sein Sprintprogramm auf der Bühne fordern Respekt Aber auch mit welchem Engagement er heute noch alte Heuler wie "Carry On Wayward Son", "The Wall" oder "Play The Game Tonight" singt, ist eindrucksvoll. Lediglich die lausige Akustik in der Halle störte den Genuss.

Bei "Kansas" besteht sogar noch Hoffnung darauf, dass die Band vielleicht doch eines Tages wieder an bessere Zeiten anknüpfen kann. Denn der musikalische Chef, Keyboarder und Gitarrist Kerry Livgren, hat mittlerweile wieder zu der Gruppe zurückgefunden.

Kai Holoch
Artikel: Gerald Gierth


 

 

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