„Nicht alles scheint verloren“
MICHAEL SADLER Der Saga-Sänger über Rock’n’Roll und seinen persönlichen Jungbrunnen
MANNHEIM - Die kanadische Band Saga kennt eigentlich jeder, der sich mit Rockmusik beschäftigt hat. In den 80er Jahren haben sie musikalische Glanzlichter gesetzt und ihre Hits wie „Wind Him Up“ oder „The Flyer“ werden heute noch im Radio gespielt. Auch die Konzerte sind inzwischen legendär. Vor dem Auftritt in der Alten Seilerei hat unsere Zeitung mit Saga-Sänger Michael Sadler unterhalten.
Im Juli wirst du 61 Jahre alt. Du bist also zu alt für Rock‘n‘ Roll und zu jung zum Sterben.
KONZERT
Mittwoch, 6. Mai, 20 Uhr, Alte Seilerei Mannheim.
Quatsch, da liegt Jethro Tull falsch. Ich fühle mich wie 30 und meine Stimme ist genauso stark wie sie früher war. Außerdem habe ich jemanden, der mich fit hält.
Eine junge Frau?
Ja, das auch, aber das ist es nicht allein. Ich habe einen sieben Jahre alten Sohn und der hält mich auf Trab. Auf den jungen Mann habe ich lange warten müssen und heute bin ich der stolzeste Vater, den ich kenne. Und ich rechne auch gar nicht nach wie alt ich sein werde, wenn er einmal 20 Jahre alt ist.
Hört er deine Musik?
Naja, ein wenig. Aber er liebt Musik auf jeden Fall. Besonders Michael Jackson. Woher das kommt, keine Ahnung. Aber Jackson hat wohl so einen Peter-Pan-Faktor, der bei ganz jungen Leute, die ältere Videos von ihm sehen, genau ins Herz trifft. Zu Saga hat er nur einmal gesagt: Papa, mach das nächste Album bitte rockiger.
Vermisst du die Familie auf der neuen Tour?
Nein, denn sie sind mit dabei. Zum ersten Mal in meiner Karriere sind Frau und Sohn mit mir unterwegs. Zugegeben, eine ganz neue Erfahrung und wir fahren auch nicht im Tourbus mit. Ist sicher besser so (lacht).
Also Schluss mit der Bandfamilie Saga, mit der du über 35 Jahre verheiratet warst?
Ok, es stimmt, wir haben mehr Zeit mit der Band verbracht als mit unseren Familien, weil wir eben so oft touren. Die Hälfte des Geheimnisses einer Band ist das musikalische Können, die andere Hälfte ist das Auskommen miteinander. Glücklicherweise sind wir alle gute Freunde. Wir kämpfen immer zusammen, so wie es gute Freunde und eben Familien tun. Dass ich nun mit meiner eigenen Familie reise, bedeutet für meine musikalische Familie aber wirklich kein Problem.
Wenn ihr jetzt auf Tour seid, könnte ich locker Stücke aus 21 Alben auswählen. Wie sieht euer Programm aus?
Sehr abwechslungsreich. Viel Bekanntes, einige neue und ältere Stücke, die wir noch nie live gespielt haben. Du brauchst auch eine Menge Material, um zwei Stunden Dampf zu machen.
Wie heißt dein Lieblingsalbum?
„Behaviour“. Es sind gute Songs darauf und ich mag einfach das Feeling des Albums. Es ging mir damals sehr gut und immer wenn ich das Album höre, erinnere ich mich an diese schöne Zeit.
Noch ein Blick auf das Musikgeschäft von heute.
Oje. Es sieht für mich leider so aus, als ob es nur noch ums Geld geht. Früher gab es Musik und Business. Heute spielt die Musik so gut wie keine Rolle mehr. Im Studio wird etwas mit einem gecasteten „Superstar“ produziert, dann vermarktet und ein Jahr später wird ein anderer Typ verheizt. So eine Art Wegwerfmusikgesellschaft. Die andere Seite: nehmen wir nur mal Beyoncé. Sie kann singen, gut, aber sie kann kein einziges Instrument spielen und kann keine Lieder schreiben. Das sagt für mich schon alles.
Gibt es also keinen Funken Hoffnung für den Rock?
Doch, den gibt es. Immer mehr junge Menschen wollen wieder Authentisches hören und nicht nur das von Kommerz getriebene Musikprodukt. Völlig egal, wann die Songs aufgenommen wurden. Und immer mehr junge Leute tragen eben auch kein T-Shirt von Justin Bieber, sondern von Led Zeppelin oder den Beatles. Manche holen die Shirts sogar aus der Kommode ihrer Eltern. Es scheint noch nicht alles verloren zu sein.
Das Interview führte Wolf Goldschmitt.
http://www.lampertheimer-zeitung.de/lokales/lampertheim/nicht-alles-scheint-verloren_15296265.htm