Sadler liebt „Dibbelabbes"
Er ist zurück, seine Band ist zurück: Michael Sadler ist wieder Frontman von SAGA. Mit ihrem neuen Album „20/20" machen die Musiker abermals von sich hören. Sadler hat übrigens eine ganz besondere Beziehung zum Saarland. Er hat hier 13 Jahre lang gelebt. Daran erinnert er sich im FORUM-Interview gerne.
Der 6. Juli 2012 war für viele Fans der kanadischen Prog-Rock Band SAGA ein denkwürdiger Tag. Nach vier Jahren Trennung und der gelungenen Rückkehr ihres charismatischen Frontmanns Michael Sadler veröffentlichten SAGA ihr 20. Studioalbum – das erste nach Sadlers Bandrückkehr. Das Werk heißt deshalb „20/20". Der Titel ist bewusst doppeldeutig gewählt, denn der Begriff „20/20" steht in der Medizin für die perfekte Sehkraft und ist als Gute-Besserungs-Gruß an Keyboarder Jim Gilmour gedacht, der während der letzten Europatour fast sein Augenlicht verlor. Seit ihrer Gründung 1977 absolvierte die Band zahllose Welttourneen und verkaufte über acht Millionen Alben. Hits wie „Wind Him Up", „Humble Stance" oder „On The Loose" sind längst Klassiker, die bis heute weltweit in den Radios laufen. FORUM-Mitarbeiter Andreas Schmitz gratulierte Michael Sadler zum 58. Lebensjahr (am 5. Juli) und sprach mit ihm über seine schönen Jahre im Saarland.
Beim Auftritt sieht man Sadler ganz deutlich an, dass er einfach Spaß an der Musik hat.
Herr Sadler, Happy Birthday to you (gesungen)!
(lachend) Aaaah, danke schön, mein Freund. Dass ist sehr nett von Ihnen.
Herr Sadler, oder darf ich Michael sagen?
Sie können Michael zu mir sagen.
Michael, okay. Die Musik von SAGA begleitete mich durch viele schöne, aber auch harte Momente meines Lebens. Die erste Begegnung mit SAGA hatte ich 1983. Ich suchte an diesem denkwürdigen Tag ein Geburtstagsgeschenk für eine Freundin. In einem kleinen Schallplattenladen stieß ich auf das Cover von „Worlds Apart". Der alte Mann mit Landkarte und dem Nebel dahinter und auch der rote Schriftzug „SAGA" machten mich sehr neugierig. Beim ersten Hineinhören war ich von den neuen und sphärischen Klängen sofort total begeistert. Am gleichen Abend wurde ich als Geldbote ausgeraubt. Verspätet auf der Party, tanzten alle entflammt zu „Worlds Apart". Seither bin ich treuer SAGA-Fan. Den Tag werde ich nie vergessen.
Wow! Danke, dass Sie diese schöne und beeindruckende Geschichte mit mir teilen.
„Back where you belong" („Zurück, wo du hingehörst", 1998) heißt ein Solo-Album von Ihnen. Kann man Ihre Rückkehr zur Band so nennen?
Absolut, ja. Ich glaube, da gehöre ich hin. Die Meinung meiner Frau war mir sehr wichtig. Sie sagte zu mir: „Michael, Singen und SAGA sind das, was du tust und was du bist. Außerdem ist es Zeit, wieder zur Arbeit zu gehen."
Hat Ihnen die Band gefehlt?
Ja, ganz dramatisch. Ab dem Moment, als ich die Band verließ, habe ich alles rund um die Jungs weiterhin verfolgt. Es war zum Beispiel ein seltsames Gefühl, die Band ohne mich in einem Youtube-Video zu sehen. Am stärksten fehlte mir aber, auf der Bühne zu stehen und das Publikum zu unterhalten. Das liebe ich am meisten. Ich mag es, im Studio zu arbeiten, doch meine Leidenschaft gehört der Live-Aufführung. Konzerte zu geben ist als ob ich jedem Besucher persönlich die Hand schütteln würde.
Ja, alle Fans, die Sie schon einmal live erleben durften, werden dem beipflichten können. Ich kenne übrigens Ihre Ex-Frau Romy. Sie war eine Schulfreundin in der Berufsschule in Saarbrücken.
Stimmt das? Wow, die Welt ist doch klein!
Sie verbrachten ab 1991 einige Jahre im saarländischen Göttelborn. Welche Erinnerungen haben Sie daran? Was haben Sie im Saarland besonders gerne gemocht?
Das Saarland ist für mich der Platz in Deutschland, wo ich den besten Sauerbraten gegessen habe. Da gibt es keine Diskussion.
„Die Zeit im Saarland habe ich genossen"
Kennen Sie das Wort „Schwenker"?
Ja natürlich, und ich erinnere mich auch an „Dibbelabbes". Ich habe meine Zeit im Saarland wirklich genossen. Ich mag die Lebensweise und die Lebensqualität. Die Mentalität der Saarländer liegt mir. Wenn es Zeit ist, zu arbeiten, dann arbeiten sie hart. Und wenn es Zeit ist, zu feiern, dann feiern sie auch so. Im Gegensatz zu vielen Amerikanern sind die Deutschen mehr auf das fokussiert, was sie tun. Das Leben in Deutschland ist reicher und voller Geschichte. Wir gingen oft in Saarbrücken aus. Ich kenne aber auch Saarlouis, Neunkirchen und Völklingen.
Die Musik der Band wurde gerade in den ersten zehn Jahren von tollen Keyboard- und Synthesizer-Passagen und einem durchgängigen Grundmotiv als Basis eines Songs geprägt. Das war der typische SAGA-Sound, den Ihre Fans schätzen und lieben. Warum ist in den letzten Alben und auch im neuen Album weniger davon zu hören?
Wissen Sie, wir wollten nicht immer dasselbe tun. Während unserer langen Karriere haben wir natürlich auch vieles ausprobiert. Wir wissen, was unsere treuen Fans hören wollen. In unserem neuen Album „20/20" ist wieder mehr vom unverkennbaren SAGA-Sound zu hören. Die Fans wollen den typischen SAGA-Stil hören. Das haben wir im neuen Album wieder mehr berücksichtigt. Vielleicht ist es Zeit, wieder mehr auf die Fans zu hören.
SAGA-Gitarrist Ian Crichton (links) rockt mit Michael Sadler das Hamburger „Docks".
Was unterscheidet das neue Album von allen anderen davor?
Dieses Mal hatte ich nichts mit dem Schreiben der Musik zu tun. Das war ungewohnt komisch für mich, denn als ich entschied zurückzukehren, hatte die Band schon mit der Arbeit am neuen Album begonnen. So habe ich in erster Linie mitgeholfen, die Stücke abzuschließen. Andererseits war es ein wenig frustrierend für mich, denn ich war seit den Anfängen einer der Hauptsongschreiber. Es war wie SAGA-Karaoke. Trotzdem stehe ich zu den Songs und bin stolz darauf, der Sänger dieser Band zu sein.
Sie können es ja beim nächsten Album wieder gutmachen, oder?
Darauf können Sie sich verlassen. Ich habe noch viele Ideen.
Wie erklären Sie sich den großen Erfolg und Ihre Beliebtheit gerade in Deutschland?
Das weiß ich selbst nicht so genau. Anfangs war es für uns ein ganz eigenartiges Gefühl. Wir jungen, kanadischen Jungs aus Toronto wussten ja nicht, wie unsere Musik bei den Fans ankommen würde. Umso erstaunter waren wir, als gerade die deutschen Fans so auf unsere Musik abgefahren sind.
Als Sie 1978 anfingen, gab es auch noch so stilprägende Bands wie Yes, Genesis, Emerson, Lake and Palmer, Styx, Kansas oder Journey. Warum gibt es solche Gruppen mit eigenem unverwechselbarem Sound nicht mehr?
Das ist eine sehr gute Frage. Aktuell ist eine andere Musik etwas gefragter und kommerzieller. Es ist heute schwieriger, als Band anders zu sein, sich zu etablieren und seinen eigenen Stil zu verfolgen. Du musst dich als Band immer wieder von Album zu Album neu erfinden. Das ist sehr knifflig und heikel.
Welche Musik hat Sie persönlich und auch die Band geprägt und beeinflusst?
Ganz früher waren es zum Beispiel Gentle Giant oder Genesis mit Peter Gabriel und deren Alben wie „Foxtrot". Heute bin ich da sehr viel offener geworden. Bei einem gut geschriebenen Song ist mir das Genre egal. Es gibt zum Beispiel einige gute Lady-Gaga-Songs. Das heißt nicht, dass ich diese Art von Musik selbst machen würde.
In den 80ern hatten SAGA ihre große Zeit: 1985 etwa spielte die kanadische Band bei „Rock am Ring" vor 90.000 Zuhörern.
Sie sind die unverwechselbare Stimme von SAGA. Bands wie zum Beispiel Queen zeigen, dass ohne den dominierenden Freddie Mercury der Erfolg ausbleibt. Ist SAGA ohne Sadler auch ein No-Go?
Ich wollte und konnte das nicht glauben. Doch als ich die Band mit einer anderen Stimme hörte, war das schon eigenartig. Bei den neuen Songs auf „The Human Condition" war es nicht so, aber die alten Hits verbanden die Fans ja mit meiner Stimme. Ich möchte nicht sagen, dass der SAGA-Sound ohne mich anders war, aber ich muss akzeptieren, dass es für meinen Nachfolger Rob Moratti sehr schwierig war. Für mich war Freddie Mercury der beste Frontman aller Zeiten. Er hatte alles, was ein Sänger braucht: Charisma, Leidenschaft und eine unglaubliche Stimme. Peter Gabriel war auch immer ein Vorbild für mich. Den liebe ich für seine theatralische Art. Es ist ein schönes Kompliment, im gleichen Atemzug mit diesen Ausnahmekünstlern genannt zu werden. Mit dieser Kategorie möchte ich mich nicht vergleichen.
„Die ersten Jahre meines Sohnes wollte ich nicht verpassen"
Sie sind vor vier Jahren Vater geworden. Was hat sich für Sie verändert?
Mein Entschluss, die Band zu verlassen, hatte nie etwas mit musikalischen oder persönlichen Differenzen in der Band zu tun. Es war meine eigene persönliche Entscheidung, und die Band hat dies respektiert. Ich wollte meine eigene Familie und die ersten wichtigen Jahre meines Sohnes Seren nicht verpassen. Der Gedanke, nur in einem Hotel zu sitzen und seine Entwicklung zu versäumen, war nicht schön. Doch das ist das wahre Leben. Jetzt kann ich wieder mehr arbeiten. Mein Sohn versteht, dass sein Vater als Sänger auch mal einige Tage nicht zu Hause ist. Seit es Skype gibt, kann ich mit ihm auch von unterwegs aus täglich kommunizieren.
Gibt es für Sie ganz persönlich einen SAGA-Lieblingssong?
Nur einen Song? Da gibt's viele. Allerdings liegt mir unser Album „Behaviour" von 1985 besonders am Herzen. Immer wenn ich das Album höre, habe ich ein gutes Lebensgefühl. Da geht etwas ganz Spezielles in mir vor, und ich fühle mich mit mir selbst im Reinen.
Verbinden Sie mit Musik ebenfalls besondere Ereignisse Ihres Lebens?
Ja, ganz automatisch. Ein Song löst bei mir oft alte Erinnerungen und Lebensgefühle aus, so wie bei Ihrer Geschichte mit „Worlds Apart".
Sind wir sozusagen Brüder im Geiste?
Ja, ich bin also ab sofort in diesem Sinne dein Bruder.
Ja, danke, ich fühle mich geehrt. Am 4. Mai haben Sie getwittert, dass Sie nunmehr seit zehn Jahren „sauber" seien. Gratulation dazu. Wie haben Sie das geschafft?
Ich war nicht immer einer der Glücklichsten. Als ich nach meinem ersten Jahr der Abstinenz zu einem Treffen von Betroffenen ging, sagte mir ein Ire: „Du warst genau dort standhaft, wo 1.000 andere gefallen sind." Das war eine dramatische Aussage und traf mitten in mein Herz. Ich wollte unbedingt vom Alkohol wegkommen. Dieser starke Wille war der Schlüssel zum Erfolg. Alkoholsucht ist nur ein Symptom für etwas, was nicht mit einem stimmt. Du musst die Ursache herausfinden und dich dem stellen. Dies ist mir gelungen. Seitdem fühle ich mich viel jünger und gesünder. Ich bin sehr glücklich darüber.
„...und bringen Sie Dibbelabbes mit"
Stammt der Name „ Sadler" nicht aus Deutschland? Auf Deutsch bedeutet „Saddler" Sattler und bezeichnet den Beruf des Sattlers, also des Leder verarbeitenden Gewerbes etwa für Pferde.
Ja, ich weiß. Ich bin zwar in Wales geboren und in Kanada aufgewachsen. Ohne meinen Stammbaum genauer erforscht zu haben, würde es mich dennoch nicht verwundern, ja eigentlich bin ich mir sicher, dass es in meiner Familiengeschichte deutsche Vorfahren gegeben hat. Vielleicht habe ich mich auch deshalb so wohl im Saarland gefühlt.
Danke für das Interview, Mr. Sadler. Es war eine große Freude für uns. Wir wünschen Ihnen viel Gesundheit und Erfolg für die „20/20"-Tour. Wir sehen uns hoffentlich am 26. Oktober in Trier. Soll ich Ihnen „Dibbelabbes" mitbringen?
Ja, gerne. Das wäre toll. Danke für Ihre Zeit und die guten Fragen.
Interview: Andreas Schmitz
Zur Person:
Michael Sadler, geboren am 5. Juli 1954 in Penarth (Wales), ist ein walisischer Sänger und Gründungsmitglied der kanadischen Neo-Prog-Rockband SAGA. Er arbeitete ursprünglich als Zeichner in einem Grafikstudio. Zusammen mit Jim Crichton, Steve Negus und Peter Rochon gründete er 1977 die Gruppe „The Pockets" in Toronto, Kanada als Vorläufer von SAGA. Michael Sadler war und ist als charismatischer Sänger Mittelpunkt der Band. Er verließ die Band 2007 aus privaten Gründen, kehrte aber im Januar 2011 wieder als Sänger und Frontmann zurück. Er lebte von 1990 bis 2003 im Saarland, unter anderem in Göttelborn, und war mit einer Saarländerin verheiratet (1992 bis 2003). Heute lebt er mit seiner Frau Gwen und seinem vierjährigen Sohn Seren in der Nähe von Toronto.
Info:
Konzert: SAGA kommen am 26. Oktober in die Trierer Europahalle.
www.sagaontour.ca
(offizielle Saga-Webpräsenz)
www.saga-germany.de
(Deutsche SAGA-Fan-Community)
www.sagaplanet.de
(umfassendes Archiv, Discography, CD/Vinyl)
Quelle: http://www.magazin-forum.de/sadler-liebt-dibbelabbes/